Das A und O jedes Digitalisierungsszenarios

Gerade für Unternehmen, die in den kommenden Jahren die Folgen eines hohen Durchschnittsalters der Belegschaft abfangen müssen und den permanenten Wandel der digitalen Infrastruktur aktiv angehen wollen, gelten einige Herausforderungen bei der Weiterbildung. Ein Blick auf den Weg, den Infraserv Höchst eingeschlagen hat.

01.11.2018, Matthias Jahn

Stellvertretender Betriebsratsvorsitzender bei Infraserv Höchst

Der digitale Wandel in Unternehmen ist allgegenwärtig – und geht immer weiter: Das lässt sich etwa am Beispiel Infraserv Höchst zeigen. Der Standortbetreiber des Industrieparks Höchst verfügt über eine eigene digitale Infrastruktur, die in den kommenden Jahren auf den neuesten Stand der Technik gebracht wird. Dabei gilt es, hochfunktionale, über die Jahre spezialisierte Insellösungen intelligent miteinander zu vernetzen, und somit viele Prozesse zu automatisieren und zu vereinfachen. Aktuell werden beispielsweise im Bereich Facilities Wartungen, Reparaturen und auch die vorbeugende Wartung automatisiert. Das vereinfacht die Arbeit der Menschen, denn sie werden in Zukunft ihre Wartungsaufträge direkt via Tablet erhalten; die Wartung wird dabei digital erfasst und abgerechnet. Es entstehen allerdings im Zuge des Wandels neue Qualifikationsbedarfe. Vor allem bei der Weiterbildung der Beschäftigten in fachspezifischen Themen, die im Zuge der digitalen Transformation aufkommen. Eine weitere Herausforderung, die damit einhergeht: Beschäftigte müssen für verantwortungsvollere Aufgaben im Betrieb gezielt qualifiziert werden.

Wie kann also die Weiterbildung in der Praxis aussehen? Bei Infraserv Höchst führen wir seit 2016 Mitarbeiterqualifizierungsgespräche zum Thema Weiterbildung und Qualifizierung im Pilotbetrieb durch. Um eine zuverlässige und erfolgreiche Weiterbildung gewährleisten zu können, arbeitet Infraserv Höchst bei der Organisation und Durchführung von Weiterbildungsmaßnahmen zudem mit einer ihrer Tochtergesellschaften, der Provadis, zusammen. Die dort angegliederte Hochschule bietet nicht nur Master- und Bachelorabschlüsse an, sondern auch horizontale Weiterbildungen nach dem Prinzip Learning oder ‚Training on the Job‘. Diese Programme haben sich gerade zu technischen Digitalisierungsthemen bewährt. Qualifizierte Beschäftigte geben in Schulungseinheiten ihr Knowhow an Kollegen weiter. Bei Sicherheitsschulungen setzt das Unternehmen beispielsweise auf ein eigenes E-Learning-Tool.

Gemeinsam mit dem Betriebsrat

Bei allem Wandel muss in traditionellen Unternehmen auch der Betriebsrat bei der Personalplanung ins Boot geholt werden. Dieser verfolgt bei Infraserv Höchst vor allem das übergeordnete Ziel, die Personalplanung stärker in die Unternehmensstrategie einzubinden. So ist es gelungen zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung 2015 eine Betriebsvereinbarung (BV) zum Thema Weiterbildung und Qualifizierung abzuschließen, die einen gemeinsamen Entwicklungsprozess verfolgt. So umfasst die BV Regelungen zur Organisation der betrieblichen Weiterbildung und legt den Grundstein für eine mittel- bis langfristige Personalplanung. Das Ergebnis: Die Kosten für rein dienstliche Weiterbildungsmaßnahmen werden zu 100 Prozent vom Arbeitgeber übernommen und die Maßnahmen finden während der Arbeitszeit statt. Ein Mitarbeiterqualifizierungsgespräch muss mindestens alle zwei Jahre stattfinden und mit einem Onlinetool erfasst werden. Hierbei werden die Qualifikationsziele für die nächsten ein bis zwei Jahre festgelegt. Auch der Qualifikationsstand und die Qualifikationsbedarfe werden in einer Mitarbeiterqualifikationsmatrix erfasst.

Doch bis es soweit kam, musste zunächst die ein oder andere Hürde genommen werden. Denn sowohl die im Mitarbeiterqualifizierungsgespräch enthaltene Stärken-Schwächen-Diskussion als auch die elektronische Erfassung des Gesprächs führten innerhalb des Unternehmens zunächst zu kontroversen Diskussionen. Eine zufriedenstellende Einigung für alle Beteiligten konnte schließlich mit der Einführung von vertrauensbildenden Maßnahmen erzielen: Zum einen erhalten Führungskräfte und Mitarbeiter Schulungen im Umgang mit dem Onlinetool. Führungskräfte und Mitarbeiter sollen außerdem mithilfe von Coachings zu einer sachlichen Gesprächsführung und konstruktiven Bearbeitung von Schwächen befähigt werden. Darüber hinaus wird der vertrauliche Umgang mit den erfassten Daten von der internen IT-Abteilung, etwa mit Verpflichtungserklärungen zum vertraulichen Umgang und zur Geheimhaltung der Daten, gewährleistet.

Erfolg durch gute Moderation

Was am Ende die Einführung von Weiterbildungsmaßnahmen zum Erfolg führte? Aus unserer Erfahrung konnten wir durch die Beteiligung aller Stakeholder und einer guten Moderation bei der Aushandlung der Prozesse einen erfolgreichen Abschluss der Betriebsvereinbarung Weiterbildung und Qualifizierung erreichen. Die vertrauensbildenden Maßnahmen waren eine Voraussetzung für die Offenheit und die aktive Beteiligung der Beschäftigten bei den Weiterbildungsmaßnahmen und dem Knowhow-Transfer.

Unternehmen sollten sich unbedingt an Erfolgsfaktoren orientieren, wie der vertrauliche Umgang mit den erhobenen Daten zu den Qualifikationsbedarfen sowie Transparenz und Verbindlichkeit in der Organisation und Durchführung von Weiterbildungsmaßnahmen.

Oberstes Ziel sollte es dabei immer sein, Beschäftigten und Arbeitgebern klar zu machen, dass es wichtig ist, im Unternehmen eine Kultur des ehrlichen und konstruktiven Umgangs mit Schwächen zu fördern. Denn nur auf diesem Weg entstehen positive Entwicklungsszenarien.

Der Artikel erschien ursprünglich 2018 in der perspectives #5, Themen-Special: Führung

Bildquelle Stage: TCmake_photo/iStock/Getty Images

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