„Die Optimierung der kompletten Prozesskette“

Das noch junge Unternehmen BOXLAB Services ist eine Ausgründung aus der BASF SE. Seit April 2021 agiert es als eigenständiges Start-up auf dem freien Markt. Dank einer selbstentwickelten App lassen sich Logistikprozesse – vor allem im Bereich Gefahrgut – effizienter und nachhaltiger gestalten. Mischa Feig, Gründer und CEO des Start-ups, erläutert, wie sein Unternehmen auf die aktuellen Herausforderungen reagiert und auf welche neuen Services B2B-Kunden nun zugreifen können.

01.11.2022, Interview mit Mischa Feig vom Start-up BOXLAB Services, geführt von Dirk Mewis

Gemeinsam mit Lisa Ruffing gründete Mischa Feig das Start-up BOXLAB Services mit Sitz in Ludwigshafen am Rhein. Das Unternehmen ist eine Ausgründung aus dem BASF-Inkubator „Chemovator“ und bietet Systemlösungen rund um die Themen Gefahrgut-/ Gefahrstoffetiketten und Packmittelprozesse an. Zuvor war Mischa Feig 17 Jahre lang in verschiedenen Positionen für die BASF SE tätig.

Herr Feig, die Gaspreise explodierten nach russischem Lieferstopp, die steigenden Energiepreise bekommt auch die Chemiebranche stark zu spüren. Und fast vier Monate dauerte der Streik beim finnischen Forst-, Zellstoff- und Papierkonzern UPM, einem der größten Lieferanten von Etikettenträgerpapier. Wie ernst ist die Lage?

Dank unserer strategischen Ausrichtung und Zwischenlager bei unseren Lieferanten konnten wir trotzdem unser Lieferversprechen einhalten und hatten auch keine kurzfristigen Produktknappheiten. Das macht uns zwar froh und stolz, trotzdem mussten auch wir umdenken und haben unser Geschäftsmodell und unsere Kooperationen angepasst.

Was heißt das?

Aufgrund unserer Geschichte sind wir stark mit dem BASF-Standort Ludwigshafen als einem unserer größten Abnehmer verflochten. Die Diversifikation unserer Kundenbasis erhielt durch die Unsicherheiten in Bezug auf die Produktionsauslastung des Standorts daher eine neue Priorität. Dabei wollten wir auch Neukunden gemäß unserer Philosophie „Fast. Sustainable. Easy“ den Zugang zu unseren Services ermöglichen.

Hinzu kommt ein spürbares Umdenken von Unternehmen, die aufgrund von Klimakrise, Preissteigerungen und Lieferengpässen zunehmend vom Konzept von Just-In-Time- Etikettenbestellungen in kleineren Mengen anhand des eigentlichen Bedarfs Gebrauch machen.

Seit 2021 bietet Ihr Unternehmen einen Service an, mit dessen Hilfe beschädigte Verpackungen und dazugehörige Etiketten in hochregulierten Branchen innerhalb von 24 Stunden ersetzt werden können. Wie kam es zu dieser Entwicklung und welche ökonomischen Einsparpotenziale knüpfen sich an den schnellen Ersatz?

Die Anforderungen an Verpackungen in der Chemiebranche sind besonders hoch. Chemieunternehmen haben daher einen sehr hohen Bedarf sowohl an Gefahrgut- als auch an Gefahrstoffetiketten.

Oft wird der Prozess in mehreren Schritten abgebildet. Dafür sorgt allein schon der hohe Anteil an Gefahrstoffdaten, der darüber hinaus je nach Verbraucherstaat unterschiedliche Textbausteine und Sprachen erfordert. So werden beispielsweise bei einem Hersteller im Produktionsverlauf die Produkt- und Gefahrstoffdaten aufgedruckt oder Daten zur Einlagerung überklebt und die Gebinde, versehen mit UN-Nummer und Gefahrzettel, zur Transportvorbereitung weitergeleitet. Die benötigten Kennzeichen werden je nach Bedarf aus einem Zwischenlager angefordert.

Andere nutzen Teiletiketten mit vorgedruckten Registrierungstexten und ergänzen diese im Anschluss mit GHS-Rauten, UN-Nummer und Gefahrzettel. Andere wiederum setzen alles auf ein einziges, fertiges Etikett mit allen Daten direkt aus dem Drucker. Jede Variante der Etikettierung kann sinnvoll sein, abhängig von den Prozessen und Kosten.

In den vergangenen Jahren hat das Unternehmen BASF diesen Bereich unter Prozessoptimierungsaspekten überprüft. Entstanden sind dabei viele Ideen zur Verbesserung – und mit BOXLAB Services eben auch ein eigenes Unternehmen.

Ursprünglich suchten wir nach einer Lösung, um beschädigte etikettierte Gefahrgut-Kartonagen für den Bereich Pflanzenschutzmittel zeitnah zu ersetzen und damit flexibel zu bleiben, ohne spezifizierte Ware entsorgen zu müssen.

Dabei kommt eine App zum Einsatz, die wir unseren Vertragskunden zur Verfügung stellen: Beschädigte Kartonagen oder Etiketten können mit einem mobilen Endgerät auf Knopfdruck erfasst und an das Team übersendet werden. Die daraus resultierende Prozessoptimierung schien dann auch für andere Bereiche einsetzbar. Seit knapp zwei Jahren beliefern wir jetzt den Standort Ludwigshafen der BASF mit etikettierten Packmitteln und individualisierten Gefahrgut-Etiketten. Die BASF konnte in diesem Bereich rund 50 Prozent Kosten einsparen. Die Beratung und Versorgung bieten wir mittlerweile auch extern an, unser Know-how ist neben der Chemiebranche auch für den medizinisch-pharmazeutischen Bereich sowie in der Automobilbranche interessant.

Jetzt gibt es auch einen neuen Online-Shop für B2B-Kunden.

Ja, wir haben im Oktober 2022 unseren neuen offenen Online-Shop openshop.boxlab-services.com gelauncht, der es B2B-Kunden aus der gesamten EU, auch ohne den bisher notwendigen Onboarding-Prozess, erlaubt, Gefahrgutetiketten und Zubehör nach einer Registrierung direkt zu bestellen. Zudem übernehmen wir seit Oktober auch die Abwicklung des Gefahrgutetikettengeschäfts vom Traditionsunternehmen HERMA. HERMA ist ein führender europäischer Spezialist für Verpackungs- und Produktkennzeichnung.

Durch die langfristig geschlossene Kooperation werden durch BOXLAB Services nun auch HERMA-Kunden bedient, die individualisierte Etiketten in kleineren Stückzahlen benötigen. Zudem stärkt die Kooperation die Lieferfähigkeit von BOXLAB Services weiter.

Im Gegensatz zu bislang herkömmlichen Verfahren ist Ihre Lösung laut eigenen Aussagen nicht nur ökonomisch effizienter, sondern auch ökologisch nachhaltiger. Warum?

Wir verkaufen ja nicht einzelne Etiketten, sondern einen Service. Und dazu gehört es, gegebenenfalls einzelne Etiketten unmittelbar am nächsten Tag zu liefern. Aber unsere Kernkompetenz liegt auf der Optimierung der kompletten Prozesskette von der Bestellung bis zur Entsorgung. Deshalb liegt ein weiterer Schwerpunkt von BOXLAB Services in der Nachhaltigkeit.

Wir analysieren auch bei unseren Partnern, den Etikettenherstellern, die Prozesse und je nachdem, wie groß oder klein beispielsweise ein Anbieter die überstehende Fläche des Trägerpapiers bei der Produktion seiner Gefahrstoffetiketten hält, hat er innerhalb eines Jahres entweder eine Tonne oder aber im Fall eines sparsameren Schnittes nur 500 Kilogramm Abfall. Nachhaltigkeit beginnt nun mal nicht erst mit der Entsorgung.

Inzwischen haben sich die ersten Kunden darauf eingelassen, die Trägerpapiere, von denen die Etiketten abgelöst werden, zu sammeln und über BOXLAB Services der Wiederverwertung zukommen zu lassen. Diese Trägerpapiere und -folien sind silikonisiert und gehören nicht in den Papier- oder Plastikmüll, sie müssen heute mit dem Restmüll entsorgt werden. Diese Abfallbeseitigung ist nicht der optimale Entsorgungsweg und verursacht außerdem Kosten – viele Firmen könnten in diesem Bereich nachhaltiger werden.

Nachhaltigkeit beginnt nicht erst mit der Entsorgung.

Mischa Feig, Gründer und CEO von BOXLAB Services

Sie beraten Ihre Kunden so, dass diese ihren Etiketten-Lagerbestand um bis zu 90 Prozent reduzieren können. Wie funktioniert das?

Lagerfläche und hohe Lagermengen kosten Geld und gleichzeitig sind viele Lager oft nicht geeignet für eine optimale Etikettenlagerung. Wenn ein Kunde beispielsweise 20 verschiedene Formate mit jeweils einer Palette Mindestabnahme bestellt, benötigen diese Etiketten dann für die Lagerung eine Raumtemperatur von 20 Grad (plus/minus fünf Grad) sowie eine Luftfeuchtigkeit von rund 50 Prozent, um über einen längeren Zeitraum gute Hafteigenschaften beizubehalten, was entscheidend für eine gute Gefahrgutetikettierung ist. Zertifizierte seewassertaugliche Etiketten, wie im Seeverkehr vorgeschrieben, sind darüber hinaus nur rund ein Jahr haltbar.

Aus unserer Sicht sollten die Unternehmen daher große Bevorratungen vermeiden und besser immer nur genau die Menge bestellen, die tatsächlich in den nächsten Wochen benötigt wird. Via unsere App können Etiketten „on demand“ bestellt werden, Mindestbestellmengen gibt es dabei nicht. Geht eine Onlinebestellung vor 11 Uhr ein, werden die Etiketten am gleichen Tag verschickt, auf jeden Fall versenden wir innerhalb von 24 Stunden. Mit einer optionalen monatlichen Verrechnung ergänzt, wird der Bestellprozess auf ein Minimum reduziert. So können Lagerflächen und Kosten eingespart und mehr Nachhaltigkeit geschaffen werden.

Vielen Dank für das Interview!

Kontakt