Dekarbonisierung dank Power-to-Liquid

Die Power-to-Liquid-Technologie ermöglicht es, fossile Brennstoffe zu ersetzen und gleichzeitig CO2-Emissionen zu reduzieren. Ihr Potenzial ist groß, denn die Kraftstoffe lassen sich unter anderem im Luftfahrtbereich und im Individualverkehr nutzen.

Von Dietmar Kestner

Power-to-Liquid (PtL) ist eines der Verfahren in der Power-to-X-Familie (PtX), bei denen durch elektrische Energie flüssige Kraftstoffe, gasförmige Energieträger (Power-to-Gas), Basischemikalien (Power-to-Chem) oder Wärme (Power-to-Heat) erzeugt werden. Das PtL-Konzept basiert auf der Erzeugung von Wasserstoff durch Wasserelektrolyse. Anschließend wird dieser Wasserstoff mit Kohlenstoff aus CO2 zu Synthesegas umgewandelt. Das Synthesegas wird dann zu flüssigen Brennstoffen wie Diesel, Kerosin oder zu chemischen Rohstoffen wie Methanol weiterverarbeitet.

Die Technologie ermöglicht es, fossile Brennstoffe zu ersetzen und gleichzeitig CO2-Emissionen zu reduzieren.

In der klima- und energiepolitischen Diskussion hat sich ein engeres Verständnis herausgebildet, das darauf abzielt, klimaneutrale Kraft- und Brennstoffe unter dem Einsatz von Strom aus erneuerbaren Energien und von klimaneutralem Wasserstoff zu erzeugen und dabei zugleich Kohlendioxid stofflich zu binden. Dabei wird CO2 entweder direkt aus der Luft oder aus biogenen oder industriellen CO2-Quellen genutzt. Auch in der chemischen Industrie finden sich entsprechende Quellen, insbesondere durch den immer stärkeren Einsatz von Recycling.

Es gibt bereits einige marktfähige PtL-Produkte wie synthetischen Diesel. Die Wirtschaftlichkeit hängt jedoch von Faktoren wie dem Strompreis und der Verfügbarkeit von CO2 ab. Die globalen Potenziale für Power-to-Liquid sind groß, insbesondere in Regionen mit hohen Kapazitäten an erneuerbaren Energien. Um diese Potenziale zu heben, sind jedoch weitere Voraussetzungen erforderlich wie politische Unterstützung, Investitionen in F&E sowie eine Skalierung der Technologie.

Nutzung in Verbrennungsmotoren und Turbinen

Weil sie sich gut speichern und transportieren lassen und bestehende Infrastruktur genutzt werden kann, stechen PtL-Anwendungen unter den PtX-Technologien besonders hervor. Zudem lassen sie sich direkt in Verbrennungsmotoren und in Turbinen bestehender Flotten einsetzen. In Form von synthetischen Kraftstoffen oder E-Fuels trägt PtL dazu bei, schwer oder nicht sinnvoll elektrifizierbare Anwendungen im Verkehrssektor zu dekarbonisieren. Daher sind PtL-Kraftstoffe auch Teil der Nationalen Wasserstoffstrategie . Sie können als flüssiges Ammoniak in der Hochseeschifffahrt, als Methanol oder Dimethylether im Schwerlastverkehr sowie als synthetisches Kerosin im globalen Luftverkehrssektor fossile Brennstoffe substituieren.

Die Herstellungsverfahren sind seit Jahrzehnten bekannt und verfügen über einen hohen technischen Reifegrad. So können mithilfe des Fischer-Tropsch-Verfahrens synthetischer Diesel oder synthetisches Kerosin (E-Kerosin) sowie durch die Methanolsynthese synthetischer Ottokraftstoff gewonnen werden.

Einsatz in der Luftfahrtindustrie

Die Diskussion rund um die Dekarbonisierung spitzt sich immer mehr zu. Dabei stehen der Verkehrssektor und vor allem die Luftfahrt, die für 3,1 Prozent der weltweiten und 2,8 Prozent der nationalen Emissionen verantwortlich ist, oftmals besonders im Fokus. Die deutsche Luftfahrtindustrie und die damalige Bundesregierung haben im Jahr 2019 eine PtL-Roadmap auf den Weg gebracht, in der E-Kerosin den Königsweg zur Dekarbonisierung der Luftfahrt darstellen soll.

Quelle: Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft e. V.

Daher wurden bei der Umsetzung der europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) in nationales Recht ambitionierte Ziele gesetzt: Um die Erzeugung und den Einsatz von E-Kerosin voranzutreiben, ist eine verpflichtende PtL-Unterquote an vertanktem Kerosin von 0,5 Prozent bis 2026 vorgesehen, die bis 2028 auf ein Prozent und bis 2030 auf zwei Prozent steigt. Allein diese Quote dürfte einen Bedarf von bis zu 0,2 Millionen Tonnen bis 2030 generieren. Allerdings ist die damit erzielte Verminderung von Treibhausgasen aus heutiger Sicht wenig ambitioniert.

Aktuell ist synthetisches Kerosin im Vergleich zu fossilem mit den vier- bis sechsfachen Herstellkosten nicht wirtschaftlich. Jedoch geraten diese Kostenannahmen immer mehr ins Wanken.

Im Zuge des Ukraine-Krieges verdreifachten sich zeitweise die Kerosinpreise, mit Spitzen bis zu 175 US-Dollar pro Barrel. Zudem profitiert fossiles Kerosin noch von einer Energiesteuerbefreiung. Dieses Privileg wird den Plänen der EU-Kommission zufolge durch die Reform der Energiesteuer-Richtlinie im Rahmen des Fit-for-55-Pakets ab 2024 fallen. Hierdurch wird sich der Abstand zwischen den Kosten von fossilem und synthetischem Kerosin weiter verringern.

Hoffnung auf Erhöhung der Produktionskapazitäten

Ferner spielt der Green Deal Industrial Plan der Europäischen Kommission eine wichtige Rolle bei der Förderung von PtL-Technologien. Der Plan zielt darauf ab, die Wettbewerbsfähigkeit einer CO2-neutralen Industrie in Europa zu verbessern und den Übergang zur Klimaneutralität zu beschleunigen. Er beinhaltet Maßnahmen zur Erhöhung der Produktionskapazitäten, um erschwingliche, sichere und saubere Energie für die Industrie zu erhalten, sowie zur Steigerung von Energieeinsparungen und Energieeffizienzmaßnahmen. Dies könnte dazu beitragen, die Wirtschaftlichkeit von PtL-Verfahren weiter zu verbessern.

Eine Schlüsselfrage wird schließlich der Einsatz synthetischer Kraftstoffe im Individualverkehr sein. Hiervon hängen eine seriöse Einschätzung des Bedarfs an Power-to-Liquid, die Geschwindigkeit des Hochlaufs und das Ausmaß der Investitionen in PtL-Anlagen ab. Der Bedarf wird sich einerseits stark nach dem tatsächlichen Grad der erreichten Elektrifizierung in der Mobilität und andererseits nach den politischen Rahmenbedingungen richten.

Während man in der früheren Diskussion überzeugt war, dass sich der Einsatz von grünem Strom für die Wasserstoff- und PtL-Produktion aus „überschüssigem“ grünen Strom speisen sollte, ist diese Meinung einer pragmatischeren Einschätzung gewichen: Inzwischen wird es als notwendig erachtet, den überwiegenden Teil des PtL zu importieren, aber auch national zu produzieren. Wesentlich für die nationale Produktion bleibt insbesondere der Nachweis der Technologiefähigkeit an deutschen Industriestandorten, die weiterhin ein wesentlicher Erfolgsfaktor für den Export deutscher Technologien sein wird.

Pionierstandort Höchst

Aktuell stehen wir mit Blick auf die Transformation erst am Anfang. Es gibt zwar bereits einige Anlagen, die PtL-Verfahren einsetzen. Diese sind meist aber im Test- oder Pilotstadium. Hierfür eignen sich zukünftig insbesondere Industrieverbundstandorte als CO2-Punktquellen, die zusätzlich entweder mit einer eigenen Wasserstofferzeugung vor Ort oder einer Anbindung an eine Wasserstoff-Infrastruktur (Hydrogen Backbone oder Verteilnetze) über die Voraussetzungen für eine PtL-Erzeugung verfügen.

Der Industriepark Höchst, nur einen Steinwurf entfernt vom Flughafen Frankfurt, dem drittgrößten Airport in der EU und zukünftigen Abnehmer, verfügt über diese Voraussetzungen und ist durch die weltweit größte PtL-Anlage zur Erzeugung von E-Kerosin ein Pionierstandort, um sowohl Wege zu einer intelligenten Sektorenkopplung zu weisen als auch einen Showcase des deutschen Anlagenbaus aufzuzeigen.

Über den Autor

Dr.-Ing. Dietmar Kestner ist Geschäftsführer beim Verband für Anlagentechnik und IndustrieService e.V. (VAIS). Der Branchenverband vertritt die Interessen von Unternehmen aus Anlagenbau und Industrieservice in der Energie- und Abfallwirtschaft und den Prozessindustrien.

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