Innovationen sind Start-ups im Kopf

Forschung und Produktion sind in der chemisch-pharmazeutischen Industrie von Prozessen und Reaktionen geprägt. Daraus resultiert der Ansatz, permanent Neues zu entwickeln: innovative Technologien, Herstellungsmethoden, Produkte und Geschäftsmodelle. Schließlich werden die globalen Herausforderungen – Wachstum der Weltbevölkerung, Ernährungssicherheit, Gesundheit, Umweltschutz, Mobilität, Urbanisierung und Energieversorgung – unsere Zukunft bestimmen. Diese anspruchsvollen Aufgaben können wir nur mit Innovationen meistern.

Von Gerd Romanowski

Die Chemie- und Pharmabranche ist einer der forschungsstärksten Industriezweige in Deutschland. Sie investierte im Jahr 2020 rund 12,5 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung (FuE). Etwa 15 bis 20 Prozent ihres Umsatzes macht sie mit Produktneuheiten. Um diesen erfolgreichen Kurs weiterzuführen, ist eine Innovationskultur in Unternehmen nötig, die Freiräume, Flexibilität und Vielfalt ermöglicht. Das Ziel: die Kreativität von Beschäftigten freizusetzen. Denn Innovationen sind Start-ups im Kopf.

Als Teil einer langfristigen Innovationskultur können beispielsweise Innovations-Labs und der mit ihnen verbundene Freiraum diesen Erfindergeist und Einfallsreichtum von Beschäftigten fördern. Die veränderten Strukturen und Prozesse innerhalb der Labs ermöglichen außerdem eine schnellere und agilere Arbeitsweise. Neue Ideen für FuE-Ansätze und Produkte können so generiert und rasch umgesetzt werden.

Aber auch Mut, Haltung und Risikobereitschaft, vor allem seitens der Unternehmensleitung, sind gefragt. Kurzum: Eine auf Innovationen ausgerichtete Firmenkultur sollte durch Führungskräfte und Innovationsverantwortliche vorgelebt werden.

Gleichzeitig sind eine klare, langfristig angelegte Strategie sowie ein stringentes Produktportfolio für das jeweilige Unternehmen unerlässlich. Denn noch immer gilt: Innovationen sind der Schlüssel für einen langanhaltenden Erfolg.

Positive Fehlerkultur einführen

„Zeigen Sie mir jemanden, der noch keinen Fehler gemacht hat, und ich zeige Ihnen einen Menschen, der noch nie etwas geleistet hat“. Dieses Zitat des ehemaligen US-amerikanischen Präsidenten Theodore Roosevelt hat auch heute noch seine Gültigkeit. Umso wichtiger ist die Möglichkeit zu einem angstfreien Austausch von Ideen sowie einer positiven Fehlerkultur in Unternehmen.

Ein reflektierter Umgang mit eigenen Fehlern unterscheidet sich dabei von einem reinen Fehlermanagement, das nur darauf ausgelegt ist, Fehler zu vermeiden.

Daher bedarf es vielleicht gerade in Deutschland eines generellen Mindset-Wandels, der sich in Teilen unter anderem an den USA orientieren könnte. Um diesen Wandel herbeizuführen, sollten junge Menschen schon in Schule und Studium einen anderen Umgang mit Misserfolgen lernen: Sie sollten einfach ausprobieren dürfen und auch mal dem sogenannten Pareto-Prinzip folgen: Diese 80-zu-20-Regel besagt, dass 80 Prozent der Ergebnisse mit 20 Prozent des Gesamtaufwands erreicht werden können. Dies darf jedoch nicht zulasten einer exzellenten Ausbildung gehen.

Kooperationen mit Hightech-Schmieden ausbauen

Auch die Zusammenarbeit mit Hightech-Schmieden beeinflusst die Innovationskultur in Unternehmen. Daher sollten „altgediente“ Firmen mehr Kooperationen wagen und sich an kreativen Start-ups beteiligen und auch von ihnen lernen: wie eine positive Fehlerkultur und eine ergebnisorientierte Kommunikation die Innovationskultur sowie die Agilität eines Unternehmens fördern können. Umgekehrt brauchen gerade junge innovative Firmen ein funktionierendes und agiles Netzwerk, das ihnen den Zugang zu Kunden, Infrastruktur, Fördermitteln und Finanzierungsoptionen ermöglicht. Nur so können sie wachsen und sich am Markt etablieren. Ein solches Netzwerk aus allen Akteuren des Start-up-Umfeldes bietet beispielsweise das „ Forum Startup Chemie “. Es ist eine gemeinsame Initiative der drei Chemieorganisationen DECHEMA, Gesellschaft Deutscher Chemiker und Verband der Chemischen Industrie (VCI) sowie des High-Tech-Gründerfonds, des Business Angels Netzwerk Deutschland/Rhein-Main und des Bundesverbandes Deutsche Startups.

Für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen etablierten Unternehmen und Start-ups kommt es beispielsweise darauf an, dass Personen, die in dieser Kooperation eingebunden sind, nicht ständig wechseln. Auch große Firmen sollten bei solchen Kooperationen auf Kontinuität achten. Das gilt besonders bei einer ungünstigen Konjunkturentwicklung. Hier sollten sie ihr Engagement nicht so stark zurückfahren, dass das junge Unternehmen in seiner Existenz bedroht wird.

Neben der Innovationskultur eines Unternehmens gilt es auch, die Innovationskultur in Deutschland insgesamt zu stärken. Dazu gehört eine grundsätzliche Offenheit der Gesellschaft gegenüber neuen Technologien, Produkten und Verfahren sowie Veränderungsprozessen.

Dr. Gerd Romanowski, Geschäftsführer Wissenschaft, Technik und Umwelt im Verband der Chemischen Industrie (VCI)

Aber auch die Politik ist gefordert: Innovationshemmnisse, die sich aus einer komplexen Regulierung sowie aufwendigen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren ergeben, müssen so weit wie möglich abgebaut werden. Außerdem sollte die Politik den Zugang zu Fachkräften und eine stärkere mathematisch-naturwissenschaftliche Bildung junger Menschen fördern.

Über den Autor

Dr. Gerd Romanowski ist Geschäftsführer Wissenschaft, Technik und Umwelt im Verband der Chemischen Industrie (VCI).

Darüber hinaus fungiert er als Geschäftsführer des Fonds der Chemischen Industrie und der Stiftung Stipendien-Fonds.

Der VCI vertritt die Interessen von rund 1.700 Chemieunternehmen in Deutschland.

Kontakt