06.04.2021

Gebäudeleittechnik im Zeichen der Corona-Pandemie – Chancen und Strategien

Interview mit dem GLT-Experten Andreas Goeres

Auch die Industrie in Deutschland wurde von Covid-19 kalt erwischt: Spätestens jetzt wird offenbar, wo wichtige Investitionen oft zu lange hinausgezögert wurden. Insbesondere bei der Digitalisierung gibt es viel Nachholbedarf. Mit digitalen Prozessen lassen sich auch in der Gebäudeleittechnik viele Abläufe transparenter, effizienter, ökonomischer und umweltgerechter gestalten.

GLT-Experte Andreas Goeres / Infraserv Höchst

Nachhaltiger wirtschaften und wettbewerbsfähig bleiben – mit moderner, maßgeschneiderter Gebäudeleittechnik

Viele Unternehmen haben die Zeit der Corona-Pandemie genutzt, um interne Abläufe und Kundenprozesse neu zu bewerten. Oftmals rückt hierbei auch die Gebäudeleittechnik in den Fokus.

Wir sprachen mit Andreas Goeres, Leiter Gebäudeautomation & Event/Objekt IT bei Infraserv Höchst, darüber, warum es sich gerade jetzt lohnt, in eine zukunftssichere Gebäudeleittechnik zu investieren.

Durch die Covid-19-Pandemie werden viele industrielle und wirtschaftliche Prozesse auf den Prüfstand gestellt. Haben Unternehmen die Zeit auch genutzt, in eine moderne Gebäudeleittechnik zu investieren?

Andreas Goeres: Ja, wir haben im Verlauf der letzten zwölf Monate auch vermehrt Anfragen von Unternehmen bezüglich Gebäudeleittechnik erhalten. Oft steht der Wunsch dahinter, alte Anlagen, die bislang nur vor Ort gesteuert werden konnten, mit modernen Technologien aufzurüsten und auch rundum für den Remote-Betrieb fit zu machen. Man merkt, dass viele Anlagenverantwortliche derzeit vom Homeoffice aus tätig sind und dabei feststellen, wo bei dem Remote-Betrieb noch Verbesserungsbedarf besteht. Es kommt dabei immer darauf an, wer wann auf welche Informationen in welchem Format zugreifen möchte – der Facility Manager interessiert sich hier für ganz andere Aspekte als der Anlagenverantwortliche oder der Objektbetreuer.

Was uns auch auffällt: Gebäudebetreiber legen nun größeren Wert darauf, einen einzigen Dienstleister zu haben, der ihnen alle Leistungen aus einer Hand anbieten kann – von der Planung und Implementierung bis zur Wartung und Instandsetzung. Das ist gerade in Pandemiezeiten natürlich einfacher zu koordinieren, als die Tätigkeiten mehrerer Service-Unternehmen, Abstandsregeln etc. unter einen Hut zu bekommen.

„Kunden möchten heute am liebsten alle Leistungen um die Gebäudeleittechnik aus einer Hand. Mit unseren Services decken wir die Bereiche Automation, Elektrotechnik und Datentechnik komplett ab.“

Infraserv hat hier den Vorteil, dass wir in der Gebäudeleittechnik die Bereiche Automation, Elektrotechnik und Datentechnik komplett abdecken können: Wir liefern Schaltschränke und führen – wenn erwünscht – auch die Verkabelungsarbeiten durch. Wir kümmern uns aber ebenso um alle Aspekte der Datentechnik von der Planung bis zur Implementierung – gegebenenfalls inklusive einer professionellen WLAN-Ausleuchtung.

Wie wichtig ist es in Zusammenhang mit den Remote-Technologien heute noch, als GLT-Dienstleister beim Kunden vor Ort präsent zu sein?

Andreas Goeres: Über die Distanz lassen sich bereits viele Fragen und Probleme rund um die Gebäudeleittechnik klären. Trotzdem muss man natürlich die Anlage vor Ort sehen und kennenlernen, um auf die spezifischen Anforderungen des jeweiligen Kunden adäquat eingehen zu können.

Ist eine Anlage aber mal komplett auf den Remote-Betrieb mit all seiner Transparenz umgerüstet, hat der Nutzer enorme Vorteile. Dann ist es tatsächlich möglich, die Gebäudeleittechnik von jedem Ort aus zu steuern – abgesehen natürlich von Situationen, in denen es zu Ausfällen kommt und Komponenten ausgetauscht werden müssen.

Ist die Digitalisierung heute schon so weit vorangeschritten, dass die Remote-Steuerung überall problemlos läuft?

Andreas Goeres: Der Remote-Betrieb erfordert vor allem einen möglichst hohen Grad der Standardisierung. Die einzelnen Komponenten eines Systems müssen perfekt miteinander harmonieren. Das funktioniert nicht, wenn man Geräte vieler unterschiedlicher Hersteller verbaut, die in der Regel nicht immer vollständig untereinander kompatibel sind. Gemeint sind hier nicht Sensoren oder Aktoren, sondern beispielsweise Controller verschiedener Marken in unterschiedlichen Anlagen. Wichtig sind die Integrationsmöglichkeiten für offene Protokolle, wie etwa das BACnet-Protokoll. Man möchte ja keine zig verschiedenen Anlagen auf unterschiedlichen Systemen steuern und überwachen, sondern nach Möglichkeit eine einheitlich visualisierte Bedienoberfläche für alle Anlagen, egal welcher Hersteller die Komponenten geliefert hat. Es kommt also von Anfang an auf eine nachhaltige Anlagenplanung an. Wer die Einzelkomponenten nicht perfekt aufeinander abstimmt und bei der Anlagenkonzeption am falschen Ende spart, wird später draufzahlen.

Fazit: Wir raten von hersteller- und anlagenspezifischen „Black-Box“-Lösungen ab. Diese sind oft schwer integrierbar. Es nützt nichts, eine kostengünstige Anlage zu haben, die dann in der Wartung richtig viel Geld kostet. Deshalb konfigurieren wir für unsere Kunden herstellerunabhängige Gebäudeleittechnik-Systeme, in denen alle Elemente optimal zusammenspielen.

„Anschaffungs- und Betriebskosten müssen immer ganzheitlich betrachtet werden, wenn man nicht später draufzahlen will.“

Warum lohnt es sich für Unternehmen, gerade jetzt in eine moderne Gebäudeleittechnik zu investieren?

Andreas Goeres: (lacht) Das ist ganz einfach: Wir haben derzeit die besten Arbeitsbedingungen, weil so viele Menschen im Homeoffice tätig sind. So lassen sich Umbaumaßnahmen vor Ort mit viel geringerem Organisationsaufwand realisieren. Wir müssen zum Beispiel bei einem Laborumbau Bohrarbeiten durchführen oder auch mal die Lüftung ausschalten. Wie oft kommt es sonst vor, dass wir beispielsweise in der Decke einen Controller einbauen wollen, und man sagt uns dann: „Nicht jetzt!“ Doch eigentlich ist ja immer „nicht jetzt!“ (lacht). Solche Situationen sind in der Regel meist nicht kalkulierbar und bringen immer viel Gesprächsbedarf mit sich.

Die Corona-Pandemie wirkt sich also eher positiv auf das Geschäft mit der Gebäudeleittechnik aus?

Andreas Goeres: Man muss natürlich schon auch die angespannte wirtschaftliche Situation mitberücksichtigen, aber wir bemerken, dass gerade im GLT-Bereich wieder Investitionsgelder freigegeben werden.

Welche Vorteile bringt eine smarte Gebäudeleittechnik mit sich?

Andreas Goeres: Eine smarte Gebäudeleittechnik ist ein wichtiger Schritt zu mehr Nachhaltigkeit. Denn sie bringt enorme Energie- und Kosteneinsparungen mit sich. Zunächst einmal ermöglicht die GLT eine transparente Abbildung der gesamten Anlage. Man erkennt sofort, wo die Energiefresser sind, und kann gezielt gegensteuern. Und Sie haben die Möglichkeit, den Energiebedarf nach der tatsächlichen Auslastung der Räume zu optimieren – indem Sie die Gebäudeleittechnik beispielsweise an einen Präsenzkalender und Anwesenheitssensoren koppeln, die Heizung und Kühlung an das Nutzerverhalten anpassen oder einen Teil der gebäudetechnischen Anlagen an Feiertagen herunterfahren. Auch im Hinblick auf die ISO 50001 (Energiemanagement) eröffnet der Einsatz einer smarten GLT neue, nachhaltige Möglichkeiten.

„Eine smarte Gebäudeleittechnik ist die Grundlage für signifikante Energie- und Kosteneinsparungen sowie für intelligente Wartungskonzepte.“

Darüber hinaus lassen sich mit der smarten Gebäudeleittechnik Predictive-Maintenance-Modelle realisieren. So nimmt die smarte GLT über Sensoren etwa Schwingungs- und Betriebstemperatur-Veränderungen etwa an Lüftungsmotoren wahr, die auf Verschleiß oder eine bevorstehende Störung schließen lassen. Dann kann der Betreiber rechtzeitig proaktive Wartungsmaßnahmen einleiten und enorme Kosten sparen, indem ein teurer, außerplanmäßiger Anlagenstillstand vermieden wird.

Welche Prozesse lassen sich mit einer GLT heute schon smart gestalten und was können wir hier in naher Zukunft noch alles erwarten?

Andreas Goeres: Nun, die Automatisierung schreitet auch in der Gebäudeleittechnik voran – zum Beispiel bei der Klimatisierung, Belüftung und Helligkeitsregelung in verschiedenen Räumlichkeiten. Droht die Luft zum Beispiel in einem Meeting-Raum sauerstoffarm zu werden, kann ein CO2-Wächter die Besprechungsteilnehmer daran erinnern, die Fenster zu öffnen, oder automatisiert ein System zur Frischluftzufuhr aktivieren.

Wo liegen bei den Unternehmen die häufigsten „Schwachpunkte“, die sich mit einer effizienten GLT beheben lassen?

Andreas Goeres: Das Hauptproblem besteht bei vielen Unternehmen in einer Gebäudeleittechnik, die mitunter älter als zehn Jahre ist. Manche Systeme werden bis heute mit Windows-XP-Rechnern betrieben. Das bringt natürlich Sicherheitsprobleme mit sich. Alte „Stand-alone-Anlagen“ sind meist nicht mehr erweiterungsfähig oder in andere Systeme integrierbar.

In solchen Fällen empfehlen wir tatsächlich eine Neuplanung der Gebäudeleittechnik nach aktuellen Standards und dem derzeitigen Stand der Technik. Überzeugende Argumente sind dabei der Sicherheitsaspekt und mögliche Energieeinsparungen, die man damit erzielen kann.

„Wenn die Gebäudeleittechnik komplett veraltet ist, lohnt sich die Investition in ein neues System auf jeden Fall – allein schon aufgrund der langfristigen Energie- und Kosteneinsparungen.“

Wie gehen die Infraserv-Experten vor, wenn sie für einen Kunden eine individuelle GLT planen?

Andreas Goeres: Der erste Schritt wird immer eine Bestandsaufnahme der existierenden Anlagen und der Gebäudeleittechnik sein, um den Bedarf abzuschätzen. Wir müssen auch immer wissen, was der Kunde von seiner GLT erwartet, welche Informationen die Anlagenverantwortlichen sehen wollen. Jede Gebäudeleittechnik ist bei uns eine individuelle Lösung, basierend auf Standardbausteinen – das heißt: zukunftsfähige Flexibilität nach außen, Standardisierung und problemlose Skalierbarkeit nach innen.

Herr Goeres, wir bedanken uns ganz herzlich für dieses Gespräch!